In den letzten 20 Jahren wurde in den USA eine Langzeitstudie mit 14.000 Vertrieblern aus verschiedenen B2B-Branchen durchgeführt, um eine einzige Frage zu beantworten:
Was setzt Top Performance Vertriebler (nachfolgend im Text TPV genannt) von dem Rest des Feldes ab?
Was glauben Sie?
Ist es die Erfahrung, ist es Veranlagung, ist es schlicht die Anzahl der Stunden / Anrufe oder Meetings, die ein Vertriebler durchführt?
Bevor wir diese Frage beantworten, schauen Sie sich doch einmal Ihre derzeitige Vertriebsorganisation aus der Vogelperspektive an:
Höchstwahrscheinlich werden Sie in der Performance Ihrer Vertriebsmannschaft eine klassische Pareto-Verteilung vorfinden:
20% oder weniger Ihrer gesamten Vertriebsorganisation (egal ob diese 8, 80 oder 800 Personen beinhaltet) erwirtschaften 80% des Umsatz oder Deckungsbeitrag ihrer gesamten Vertriebsmannschaft.
Die entscheidende Frage lautet: Wie ist es möglich, dass möglichst viele der durchschnittlichen oder unterdurchschnittlichen übrigen 80% auf das Level der derzeitigen 20% kommt?
Das „wie umsetzen“ hängt immer von dem jeweiligen Unternehmen ab, jedoch ist es überaus lohnenswert, sich zunächst damit zu beschäftigen, welche Eigenschaften TPV`s aufweisen, die ihre Kollegen (noch) nicht haben. Meine Erfahrung aus der Durchführung zahlreicher Vertriebsprojekte und dem Training von mehreren hundert Vertrieblern aus verschiedensten B2B Branchen zeigt folgende fünf Attribute:
1. Ein TPV hat ein wirklich ernsthaftes Interesse an seinem Gegenüber
Wenn ich Vertriebler danach frage worauf es aus Ihrer Sicht am meisten in einem Erstgespräch ankommt, fällt schnell das Wort „Vertrauensaufbau“. Soweit so gut, aber wie gelingt das?
Ein TPV weist ein derart hohes Interesse an den Bedürfnissen, Herausforderungen und schlicht dem Menschen vor, dass man meinen könnte er möchte das Zielunternehmen besser verstehen als sein eigenes.
Stellen Sie sich kritisch der Frage wer von Ihrem Team sein Gegenüber zuhört, um diesen wirklich zu verstehen oder nur auf die Lücke zu warten, um seinen Inhalt auszuposaunen um seine Agenda, nämlich der des Abschlusses, zu folgen. Sie können dies auch messen, grob muss vor allem im Erstgespräch der Redeanteil des Vertrieblers maximal 20% betragen.
2. „Airtime“ beim Kunden
Wussten Sie, dass die durchschnittliche B2B Verkäufer nur 5,5 Stunden pro Woche physisch bei Kunden verbringt? Ein TPV weiß, dass der Löwenanteil des Deals nicht im Büro, auch nicht in einer webex sondern direkt beim Kunden erfolgt. Ein TPV weist die mit Absatz höchsten Kundenbesuche auf (branchenübergreifend), egal ob Bestand (als Key Account) oder Neu („Hunter“), denn er weiß dass er bei jedem Gespräch etwas neues – womöglich spielentscheidendes – erfährt.
3. Sehr frühe Identifikation des echten Kaufentscheiders
Leider ist es ein Trend in vielen Unternehmen, dass immer mehr Entscheidungen von mehreren Parteien getroffen werden oder gar von „steering commitees“. Dies zögert notwendige Entscheidungen oft viel zu lange hinaus.
Ein TPV klopft sehr früh im Verkaufsprozess ab, ob es sich wirklich um den echten Kaufentscheider handelt, mit dem er spricht, um keine Zeit zu verlieren, aber auch um die eigene Abschlusswahrscheinlichkeit von Angeboten zu erhöhen.
Es macht 0,0% Sinn ein Angebot an einen Nicht Entscheider zu stellen (vor allem wenn Sie innovative Produkte verkaufen), auch wenn ihnen dieser hoch und heilig versichert, dass er diese lediglich seinem Chef zeigen müsse und die Freigabe reine Formalität sei.
Das ist dann oft das letzte was der Vertrieb von dem Kunden gehört hat.
Ein TPV entwickelt durch sein o.g. ernsthaftes Interesse an dem Kunden ein intimes Verständnis von den Prozessen der Kundenseite und nutzt das aufgebaute Vertrauen, seinen ersten Kontakt dazu zu bewegen, dem echten Entscheider vorgestellt zu werden.
4. Tägliches Training des Selbstwertgefühls
Was haben Olympia Champions, Fußballstars und Unternehmer gemeinsam?
Die allermeisten trainieren täglich Ihr Selbstwertgefühl, indem sie sich Erfolge bildhaft vorstellen, aber auch vergangene Misserfolge noch einmal in Erinnerung rufen, um diese imaginär in Erfolge zu verwandeln.
Antje Heimsoeth beschreibt in Ihrem Buch „Mentale Stärke“ treffend, dass unser Gehirn nicht unterscheiden kann, ob wir etwas tatsächlich erleben oder ob wir uns nur einbilden, etwas zu erleben.
Warum ist das Training des Selbstwertgefühls also lohnenswert für den Vertrieb?
Nun, den größten Teil Ihrer Zeit verbringen Vertriebler alleine beim Kunden, folglich alleine im Auto oder sonst auf weiter Flur. Deshalb ist es so enorm wichtig, die eigenen Gedanken und vor allem Emotionen kontrollieren zu können, insbesondere nach einem Misserfolg.
5. Vor dem „Deal“ ist nach dem „Deal“
Vor ein paar Tagen unterhielt ich mich auf der Party eines Freundes mit einem O-Liner eines deutschen American Football Teams. Ein O-Liner ist der Offensivspieler und hat den Job, dem Quarterback – nachdem dieser den Ball geworfen ins Spiel geworfen hat – den Rücken freizuhalten, indem er den Quarterback vor Attacken der gegnerischen Defense schützt. Wie Sie vielleicht wissen, bestimmt der Quarterback entscheidend den Spielverlauf, da er den Ball als erster ins Spiel bringt.
Auf diesen im wahrsten Sinne des Wortes angesprochenen Knochenjob, gab mir der O-Liner deutlich zu verstehen, dass sein Einsatz maßgeblich davon abhängt, wie sehr dieser den Quarterback mag. Ferner machte er deutlich, dass er schon für einige Quarterbacks gespielt habe, die arrogant aufgetreten wären oder schlicht sich für etwas Besseres hielten. Für diese würde er sich nicht so sehr einsetzen als für jemanden der ihm ehrlich gemeinten Respekt entgegenbringt.
Sie erkennen die Analogie:
Ein TPV weiß, dass der interne „Deal“ fast noch wichtiger ist, als der externe beim Kunden. Ein neuer Kunde ist für die Operative zunächst einmal „mehr Arbeit“.
Schlussendlich haben die operativen Kollegen durch das operative Tagesgeschäft mit dem neuen Kunden eine enorm hohe Wertschöpfungskraft. Je stärker die Beziehung dieser operativen Mitarbeiter zu dem Vertriebler ausfällt, desto höher die Schnelligkeit und auch Qualität der Rückmeldungen des Kunden.
Resultat: Deutlich größere Umsatzwachstumschanchen des Kunden.
Und damit bin ich bei der Auflösung der Ausgangsfrage angekommen: Das Ergebnis der Langzeitstudie war, dass einzig und allein die tägliche Routine entscheidet, wie erfolgreich ein Vertriebler wird!
Die gute Nachricht: Jeder Vertriebler hat fast ausschließlich selbst die Kontrolle darüber, wie erfolgreich er oder sie durch die Aneignung neuer und das Ablegen alter Gewohnheiten werden kann. Weitere Faktoren sind das Vertriebs-Management und das Anreizsystem, welche ich noch in einem weiteren Artikel behandeln werde.
Klar, Verkaufstalent hilft, jedoch ist dieser Anteil weitaus geringer als viele denken und oft nur eine faule Ausrede, nicht an sich arbeiten zu wollen.
Stellen Sie sich nun vor, wie Sie sich Ihr Umsatz oder Return of Sales entwickeln würde, wenn Ihre durchschnittlich performenden 80% Vertriebler oben beschriebene Gewohnheiten und Fertigkeiten nicht nur aneignen, sondern auch regelmäßig trainieren würde. Und selbst wenn es nur die Hälft von Ihnen täte!
Ich garantiere Ihnen: Jede Vertriebsorganisation, egal wie groß oder klein, kann um mindestens 50% Ihre Performance verbessern und zwar mit dem bestehenden Team!