Erwartungsmanagement

Die Corona-Krise hat Millionen von Plänen durcheinandergewirbelt oder gar vollkommen zunichtegemacht. Sei es der Familienurlaub oder die Hochzeitspläne (auch dem Autor dieses Textes ist das widerfahren), die ins Wasser fielen, oder die massiven Jobverluste und Umsatzeinbrüche, die in einigen Branchen zu beklagen sind.

Deutschland ist im internationalen Vergleich noch einigermaßen glimpflich davongekommen. Dennoch wurden viele Erwartungen, die sich bezüglich des Umgangs mit der Krise an die politischen Entscheidungsträger richteten, enttäuscht. So wurden manche Fehler begangen bei der Maskenbeschaffung und -verteilung, bei der Impfpriorisierung und auf einigen anderen Feldern.

Jedoch gab und gibt es für diese Krise kein Drehbuch und keinerlei Plan, der eine bestimmte Vorgehensweise vorgegeben hätte, da die letzte halbwegs vergleichbare Pandemie über 100 Jahre her ist. Die Rede ist von der Spanischen Grippe. Nun mag man natürlich annehmen, dass man aus der Geschichte lernen kann, doch war die Welt des Jahres 1918 eine vollkommen andere als die der 2020er-Jahre.
Der Vernetzungs- und Globalisierungsgrad betrug 1918 nicht einmal einen Bruchteil des heutigen. Es gab kaum internationalen Reiseverkehr, schon gar nicht mittels Flugzeugen (in denen das Coronavirus so rasend schnell in sämtliche Erdteile getragen wurde), und wenn überhaupt, so fand er auf dem Seeweg statt, war jedoch wegen der hohen Kosten den privilegierten Schichten vorbehalten.

Es ist wichtig, nun aus dem zu lernen, was wir haben durchmachen müssen, und auch eine gewisse Toleranz zu haben für die Fehler, die begangen wurden. Lernen heißt immer auch, Fehler zu begehen. Meines Erachtens ist es eine hervorragende Leistung, wenn sich 50 Prozent aller Entscheidungen, die während der Krise getätigt wurden, hinterher als richtig herausstellen.

Und damit komme ich zum Kernpunkt dieses Blogbeitrags, dem Erwartungsmanagement.

Wir können weit weniger Dinge kontrollieren, als wir gemeinhin glauben. Das hat zum einen damit zu tun, dass die Zahl der Dinge, die wir nicht kontrollieren können, durch die immer stärker werdende Vernetzung unserer Welt, die kürzeren Innovationszyklen, durch Klimawandel und Co. in den letzten Jahren exponentiell angestiegen ist. Es fängt aber auch schon früher an.
In meiner Arbeit insbesondere mit Vertriebsorganisationen erlebe ich immer wieder, wie sich auch äußerst erfahrene und versierte Mitarbeiter mit einer völlig übersteigerten Erwartungshaltung an was auch immer unnötig unter Druck setzen, einen Scheuklappenblick haben und dadurch weit hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. So zum Beispiel der Key-Account-Manager, der glaubte, dass er seine Reise von Kroatien nach Deutschland nur dann rechtfertigen könne, wenn die diversen Meetings tatsächlich zu einem Deal führen.
Als ich ihn fragte, wie hoch seine Erwartungen an diesen Trip auf einer Skala von 1 bis 10 seien (1 = gering, 10 = sehr hoch), antwortete er ohne Zögern: „Neun.“
Ich schlug ihm vor, diesen Wert zukünftig durch 2 zu teilen.
Das bedeutet keineswegs, dass wir uns weniger darum bemühen sollen, dass der Termin oder unser Vorhaben erfolgreich abgeschlossen wird; im Gegenteil: Paradoxerweise erfüllen wir nun die Herausforderung, vollkommen offen in das Gespräch zu gehen. Wir sind deutlich gelassener und wissen, dass es in die eine oder die andere Richtung laufen kann, und machen uns emotional unabhängig (!) vom Ausgang des Treffens.

Profis, die ein derartiges Vorgehen jahrelang praktiziert haben, hegen keinerlei Erwartungen an irgendetwas im geschäftlichen Sinn. Und sind gerade deshalb erfolgreich.
Es ist wichtig und absolut notwendig, ein Ziel, das gerne auch ambitioniert sein darf, zu haben. Wenn wir aber unsere Erwartungen bewusst niedriger schrauben, laufen wir zu einer besseren Form auf und sind zudem resilienter gegenüber zukünftigen Entwicklungen, die wir nicht kontrollieren können. So wie die Folgen der Corona-Krise.

Was denken Sie dazu?