Mythos Recruiting im Vertrieb und Key Account
Es ist wahrlich nicht einfach, gute Mitarbeiter zu finden. Besonders schwierig wird es jedoch, wenn Sie einen hervorragenden Vertriebler brauchen. Unternehmen, die Vertriebs- oder Key-Account-Positionen ausschreiben, beabsichtigen entweder,
- durch mehr Umsatz oder Bruttogewinn Wachstum zu ermöglichen,
- eine schlechte Performance durch eine gute Neubesetzung zu kompensieren, oder
- die Abwanderung eines erfolgreichen Vertriebsmitarbeiters wettzumachen.
Bevor wir uns den Gründen dafür im Einzelnen zuwenden, ist festzustellen, dass allen Neubesetzungen einige wichtige Eigenschaften gemein sind:
- Sie entsprechen zunächst Mehrkosten für Ihr Unternehmen von ca. 100.000 EUR p.a. (Gehalt, Firmenwagen, Boni etc.) und werfen im ersten Jahr oft einen negativen Return on Investment ab, da sich die Person erst einmal einarbeiten und zurechtfinden muss.
- In vielen Fällen wird eine externe Firma mit der Suche betraut, deren Provision im Falle einer erfolgreichen Vermittlung zwischen drei und vier Monatsgehälter beträgt und die sie direkt nach Abschluss des Arbeitsvertrages erhält. Dies macht zusätzlich zwischen 15.000 und 35.000 EUR aus.
- Egal wie gut und wie gründlich der Auswahlprozess ausfällt, nur maximal 70 Prozent aller Neueinstellungen erweisen sich als richtiger „Fit“, das heißt, diese Personen zeigen eine gute Performance und verbleiben für viele Jahre im Unternehmen.
Anders ausgedrückt: Rund 30 Prozent aller Neueinstellungen entpuppen sich als Fehlbesetzungen, was bedeutet, dass nicht nur die Kosten für die Personalberatung unwiderruflich verloren sind, sondern auch erste Gehaltszahlungen verbunden mit Onboarding-Kosten getätigt wurden. Dies kann sich schnell auf bis zu 100.000 EUR summieren! Wenn man dem betreffenden Mitarbeiter später kündigen muss, kann dieser Betrag durch fällig werdende Abfindungen sogar noch deutlich höher ausfallen. In vielen Unternehmen liegt der Anteil der Fehleinstellungen leider auffallend hoch, was auf unzureichende Recruiting-Prozesse oder auch schlechte Personalberatungsfirmen zurückzuführen ist.
Insofern ist die Neubesetzung einer Vertriebsposition potenziell mit enorm hohen Kosten und Risiken verbunden.
Hinterfragen Sie kritisch, ob die Neubesetzung wirklich erforderlich ist! Aufgrund meiner Erfahrung schätze ich, dass Sie sich in 80 Prozent der Fälle eine teure Neubesetzung sparen können!
Kommen wir nun zu den angesprochenen Gründen für die Neueinstellung:
Durch mehr Umsatz oder Bruttogewinn soll Wachstum ermöglicht werden
Dies setzt voraus, dass der neue Mitarbeiter tatsächlich das anvisierte Umsatzziel erfüllt, was natürlich nicht garantiert werden kann. Eine sinnvolle Alternative bestünde hier darin, die Performance des derzeitigen Teams zu analysieren: Wie viel Umsatz und wie viel Bruttomarge erwirtschaftet im Schnitt Ihr Außendienst oder KAM?
Laut dem Pareto-Prinzip werden 80 Prozent des Umsatzes oder der Bruttomarge von nur
20 Prozent der Mitarbeiter des derzeitigen Teams erwirtschaftet! Das bedeutet: Wenn Sie sich eine messbare Steigerung des Umsatzes erhoffen, müssen Sie einen absoluten Top-Performer einstellen, der sofort zur derzeitigen Spitzengruppe zählen würde oder dem innerhalb von zwölf Monaten der Anschluss an diese Spitzengruppe gelingt.
Das macht den Auswahlprozess deutlich komplexer und anspruchsvoller, gilt es doch, jemanden mit jahrelangen Vertriebserfolgen einzustellen und ihn dafür gegebenenfalls von der Konkurrenz abzuwerben. Das ist teuer!
Meine Empfehlung: Arbeiten Sie eng mit Ihrer derzeitigen Top-20-Prozent-Spitzengruppe zusammen. Dies gilt nicht nur für den Vertrieb, sondern auch für andere Abteilungen. Erfolgreiche Menschen umgeben sich gerne mit anderen erfolgreichen Menschen.
Kennen Ihre Top-Leute womöglich Kandidaten, die zu Ihnen passen könnten? Lohnt es sich für die Mitglieder Ihrer Spitzengruppe, aktiv beim Recruiting zu helfen? Gibt es dafür ein ansprechendes Belohnungssystem?
Eine schlechte Performance soll durch eine gute Neubesetzung kompensiert werden
Hier liegt das größte Potenzial für eine Verbesserung Ihrer Vertriebsperformance! Wenn jemand, der in der Vergangenheit nicht einmal die eigenen Kosten gedeckt hat, kündigt oder ihm gekündigt wurde, bedeutet dies erst einmal keine Verschlechterung der Gesamtleistung des Vertriebsteams. Die Kunden dieser Person können problemlos auf die anderen Vertriebskollegen verteilt werden, da sich der diesbezügliche Aufwand aufgrund des geringen Umsatzes in Grenzen hält. Häufig können diese Kunden sogar zu großen Kunden aufgebaut werden, hängt doch der Vertriebserfolg oft maßgeblich davon ab, wie es zwischen dem Vertriebler und dem Kundenentscheider „menschelt“!
Es lohnt sich also zu fragen, ob Sie die ausscheidende Person überhaupt ersetzen müssen!
Zudem könnten Sie darüber nachdenken, ob es nicht noch weitere Personen im Vertriebsteam gibt, von denen Sie sich trennen oder die in anderen Unternehmensbereichen einen höheren Mehrwert erbringen könnten.
Jeder Mensch verfügt über bestimmte Veranlagungen und Talente. Leider ist es häufig so, dass diese unerkannt bleiben, und zuweilen möchten Mitarbeiter aus Bequemlichkeit oder aus Angst vor Veränderungen weiterhin das tun, worin sie nicht unbedingt sehr gut sind – wie im Vertrieb zu bleiben. Nicht zuletzt hängt das damit zusammen, dass dieser Job einige Annehmlichkeiten wie freie Zeiteinteilung, Boni, Firmenwagen etc. zu bieten hat. Daher ist Konsequenz im Vorgehen enorm wichtig.
So können Sie einerseits die Durchschnittsleistung pro Vertriebsmitarbeiter deutlich erhöhen, da nun dieselbe Anzahl von Kunden von einer kleineren Mannschaft betreut wird, andererseits reduzieren Sie Ihre jährlichen Kosten um rund 100.000 EUR mit jeder Person, die nicht mehr in Ihrem Team verbleibt.
Stellen Sie sich vor, wie hoch diese Ersparnis nach zehn Jahren ausfallen würde!
Die Abwanderung eines erfolgreichen Vertriebsmitarbeiters soll wettgemacht werden
Dies ist aus meiner Sicht der valideste Grund, sich wirklich mit einer Neubesetzung zu beschäftigen. Gehen Sie ruhigen Gewissens in das unternehmerische Risiko einer Neubesetzung, denn schließlich gehörte Ihr ehemaliger Mitarbeiter zu der seltenen Spezies der Vertriebs- oder KAM-Mitarbeiter, die das Zwei- bis Dreifache ihrer eigenen Kosten wieder hereinholen. Sie können es sich definitiv nicht leisten, auf eine solche Person zu verzichten.
Während der Personalsuche sollten Sie sich intensiv mit der Frage beschäftigen, warum Ihr erfolgreicher Mitarbeiter die Firma verlassen hat. Machen Sie es zu Ihrer obersten Priorität, das herauszufinden! In 75 Prozent der Fälle steht dies in einem direkten Zusammenhang mit der zuständigen Führungskraft, die entweder durch schlechtes Leadership den Mitarbeiter vergrault oder seine Vertriebserfolge nicht ausreichend wertgeschätzt hat. Sie werden sich wundern, welch scheinbar unbedeutende Details den Ausschlag für eine Kündigung geben können. Das Geld ist der mit Abstand am seltensten genannte Grund.
Die restlichen 25 Prozent entfallen auf ein unfaires Anreizsystem, mangelnde Karriereperspektiven oder unzureichende Trainingsprogramme.
Fazit: Sie können sich in 80 Prozent der Fälle eine Neubesetzung im Vertrieb oder Key-Account-Bereich sparen. Allein schon aus dem Grund, dass Ihr Team dem Pareto-Prinzip unterworfen ist, ob Sie das wollen oder nicht. Aber wenn Sie schon suchen, dann bitte richtig: Ganz klar gilt „Klasse vor Masse“ und dass Sie sich besser ein paar Monate mehr für die Suche (unter Einbeziehung Ihrer Top-Vertriebler) und die Begutachtung der Kandidaten nehmen sollten, als einen Schnellschuss zu riskieren, der womöglich vermeidbar gewesen wäre.
Schließlich können Sie durch ein konsequentes Vorgehen gegen leistungsschwache Vertriebler deutlich profitabler wirtschaften – und das aus Bordmitteln.
Ich freue mich auf Ihren Kommentar!
Ihr Alexander Nowroth