Die schlanke Verkaufsorganisation

Die schlanke Verkaufsorganisation

Teil 1: Wie Sie Ihre Abschlusswahrscheinlichkeit bei Ausschreibungen um 100 Prozent erhöhen.

Ich möchte den Status quo Ihrer Akquisekosten infrage stellen:
Was sind die wirklichen Kosten Ihres Verkaufsteams? Neben dem Gehalt, Boni, Goodies wie Firmenwagen, Handys, Laptops? Wie wirkt sich Ihr Verkaufsteam auf andere Abteilungen in Bezug auf die Verschwendung von zeitlichen Ressourcen aus?

Während das Wort „lean“ (schlank) oft im Kontext von „Manufacturing“ oder „Inventory“ verwendet wird, wende ich es in verschiedenen Bereichen einer Verkaufsorganisation mit signifikanten, positiven Auswirkungen an.

Heute ist die Zeit der Kollegen in Ihrem Unternehmen so kostbar wie eh und je, jedoch wird oft viel Zeit verschwendet, Zielkunden zu sichern, deren Abschlusswahrscheinlichkeit gegen 0 geht.

Heute stelle ich die die praktische Anwendung von „lean“ anhand der Teilnahme an großen Ausschreibungen (RFQ`s) vor, mit denen praktisch jedes Verkaufsteam im B2B Geschäft regelmäßig konfrontiert wird.

Studien zeigen, dass ein durchschnittlicher Kundenbesuch eines Vertriebsmitarbeiters EUR 300-400 kostet. Wie stark steigen die Kosten bei der kompletten Bearbeitung und Präsentation einer Ausschreibung an? Der Vertriebsmitarbeiter hat den Kunden in den meisten Fällen bereits mehrfach besucht und dadurch erhebliche vierstellige Akquisekosten verursacht. Diese Kosten steigen jedoch exponentiell an, wenn die Ausschreibung gestartet wird, weil mehrere Dinge auf einmal passieren:

1. Angebotserstellung
In größeren Unternehmen werden die Ausschreibungsunterlagen oft ab einer gewissen Größe einer Fachabteilung zugespielt (z.B. Tender Management Team), aber auch mit Direktmanagern und zugehörigen Abteilungsleitern geteilt.

Mehr Zeit wird für die Fertigstellung der Ausschreibung aufgewendet, indem interne „Abstimmungscalls“ durchgeführt werden, die endgültige Überarbeitung erfolgt und dann das Angebot eingereicht wird.

2. Präsentation (Short-list)
Nach der Einreichung des Angebots, wird in vielen Fällen eine Shortlist mit Einladungen zur Angebotspräsentation erteilt. Der Vertriebsmitarbeiter möchte möglicherweise Kollegen einbeziehen; in der Regel ihren Manager und einen zuständigen Abteilungsleiter.

Leicht haben sich insgesamt 100 oder mehr Stunden angesammelt, was einer 5-stelligen EUR Spanne entspricht. Und meiner Erfahrung nach ist dies eine konservative Schätzung. Gehen Sie mal die Dauer einer typischen Ausschreibung in Ihrem Unternehmen komplett durch.

Verbessern Sie Ihre Erfolgsquote bei Ausschreibungen

In der Speditions- und Logistikbranche liegen die Chancen, eine mittlere bis große Ausschreibung zu gewinnen bei 10-20% (in einigen Fällen sind es weniger als 10%). Dies ist ein realistischer Wert auch für andere B2B Branchen.

Das bedeutet, dass in durchschnittlich 80-90% der Fälle die investierte Zeit Verschwendung ist (!).

Jetzt könnten Sie sagen, dass dies ein Teil des „Deals“ ist, da Sie so viel Zeit investieren müssen, um einen RFQ zu gewinnen. In den meisten Unternehmen ist das tatsächlich der Fall und das vorherrschende Prinzip der letzten Jahre.

Warum? Weil die meisten Sales Pipelines und -provisionen so gestaltet sind, dass sie vor allem auf Volumengewinne und Umsatzzahlen ausgerichtet sind. Die Kunden sind Segmente unterteilt. Mit anderen Worten, wenn ich 6-7 große Anfragen habe, würde ich vielleicht einen siebenstelligen Kunden gewinnen. Jedoch wäre das in etwa so, wie wenn Sie bei der Jagd auf einen Rehbock zu schießen, ohne sich die Zeit für akkurates Zielen zu nehmen. Zwar treffen Sie mal hier und da, jedoch hat dies meist mit Glück zu tun.

Stellen Sie sich vor, Sie könnten die Anzahl der negativen Ausschreibungsteilnahmen halbieren, also statt eine in 10, eine in 5 Ausschreibungen gewinnen.

Stellen Sie sich vor, wie sich dies auf Ihr Ergebnis und Ihre Akquisekosten auswirkt.

Betrachten Sie folgendes Rechenbeispiel:
Angenommen Sie haben 10 Verkäufer und jeder sichert im Durchschnitt Einladungen zu 10 Ausschreibungen p.a.; ,das sind rund 100 Ausschreibungen p.a. die Ihr Unternehmen bearbeiten müsste. Wenn jede Ausschreibung Ihr Unternehmen rund EUR 10.000 kostet, sind das EUR 1.000.000 Akquisekosten, die sich wohlgemerkt nur auf Ausschreibungen in einem Jahr beziehen. Bei einer Erfolgsquote von insgesamt 10% und der Annahme, dass die durchschnittliche Größe der Anfrage bei EUR 1.000.000 liegt, gewinnen Sie EUR 10.000.000 Neugeschäft.

Wenn Sie die Anzahl der RFQ`s, an der Sie teilnehmen, halbieren, sparen Sie pro Jahr EUR 500,000. Jeder Ihrer Vertriebler managed also im Schnitt 5 Ausschreibungen statt wie bisher 10. Über 5 Jahre bedeutet dies eine Einsparung von EUR 2.500.000. Angesichts der Tatsache, dass Sie nur an Ausschreibungen von Zielkunden teilnehmen, zu denen Sie eine starke Beziehung haben, erhöhen sich Ihre Gewinnchancen realistisch auf 20% (wenn nicht sogar mehr).

Sie gewinnen unterm Strich dieselbe Menge Neugeschäft (EUR 10 Mio.), jedoch zu Hälfte der ursprünglichen Akquisekosten. Anders ausgedrückt: Der Return on Investment von jedermanns Zeit hat sich um 100% erhöht.

Schlank verkaufen bedeutet, dass Sie nur an einer Anfrage teilnehmen, bei der Sie wirklich das Gefühl haben, dass Sie eine realistische Chance haben, zu gewinnen. Zudem sind Sie in der Lage die gute Kundenbeziehung nachzuweisen.

Seien Sie ehrlich zu sich selbst, in wie vielen Fällen der Teilnahme an einer Anfrage haben Sie oder Ihre Verkaufsmitarbeiter sich die Zeit genommen, die Beziehung zu dem Entscheidungsträger zu bewerten?

Hinterfragen Sie den Aufbau Ihrer Sales Pipeline

Jede Sales Pipeline, die ich gesehen habe, fragt nicht oder nur sehr sporadisch den Beziehungsstatus mit dem jeweiligen Entscheider des Zielkunden ab. Dabei sollte dies neben der Größe (zb A-C Segment) dasHauptkriterium sein, ob an einer Ausschreibung teilgenommen wird. In vielen Unternehmen herrscht eher die Maxime, dass die Pipeline „voll“ sein muss, nach dem Motto die Verkaufsabteilung tut auch etwas für ihr Geld.

Der Aufbau der Beziehung beginnt schon lange vor einer Angebotsanfrage damit Sie die „pain points“ verstehen, die entscheidenden Faktoren des Entscheidungsträgers beeinflussen können und diesen vielleicht sogar ganz davon abhalten, eine Ausschreibung zu starten, weil er die gewünschte Lösung direkt von Ihnen bekommt. Andernfalls besteht die Gefahr das ihr Unternehmen bloß als Benchmark ohne jede Erfolgsaussicht verwendet wird.

Fokussieren Sie also Ihre Anstrengungen auf jene Zielkunden, bei denen sie wirklicheine Beziehung haben. Ihre Abschlussrate wird sich erheblich verbessern.

Es gibt noch weitere Vorteile:

  • Sie werden zum Maßschneider:  Sie und Ihre Kollegen verbringen mehr Zeit bei der Erstellung einer passgenauen Lösung für Ihren Kunden.

  • Sie steigern Ihr eigenes Return on Invest: Selbst in den Fällen in denen Sie genau so viel Zeit in die Bearbeitung einer Ausschreibung stecken wie vorher, hat jede investierte Stunde eine doppelt so hohe Chance auf Erfolg.

  • Ihre Verkaufszahlen werden sich erheblich verbessern.

  • Ihr Team wird erheblich effektiver, weil sich Ihr Zeitmanagement auch auf Ihre Kollegen auswirkt.

Bevor Sie Ihre Kollegen oder Ihren Boss also das nächste Mal darum bitten, Ihre Zeit in eine Ausschreibung zu investieren, schulden Sie ihnen die Sicherheit, dass Sie eine starke Beziehung zu Ihrem Zielkunden haben und somit eine realistische Chance auf Erfolg.

Die Zeit Ihrer Kollegen ist wertvoll – und so auch Ihre.