Um es gleich vorwegzunehmen, der Autor weiß auch nicht, wie die Zukunft aussehen wird. Jeder einigermaßen gut informierte Bürger kennt jedoch die Themen in unserem Wirtschaftssystem, die eine Neuausrichtung benötigen, nicht, weil es eben opportun ist, sondern vielmehr ein Gebot der Vernunft.
Nach gut 75 Jahren freier Marktwirtschaft, weitgehend ungeregeltem Kapitalverkehr und Globalisierung, haben wir alle, denke ich, ein gutes Bild davon, was in der Rückschau vielleicht doch keine so gute Idee war, welche Faktoren, die wir in den alten Wirtschaftsmodellen zu Unrecht ausgeblendet haben (vorrangig, dass gesunde Umwelt mit einem stabilen Klima durchaus einen ‚Wert‘ für Unternehmen haben kann) uns nun als schwerwiegende Belastungen auf die Füße fallen.
Wir sollten uns alle trauen, Wirtschaft und Wirtschaften von Grunde auf neu zu definieren und die heutigen Paradigmen und Dogmen der ‚alten Schule‘ bewusst hinterfragen, die mittlerweile als unantastbare Glaubenssätze in unseren Köpfen stecken. Nur dann schaffen wir uns den Raum und die Freiheit, zukunftsfähige Lösungen zu erdenken und neue Wege zu beschreiten, quasi auf der grünen Wiese neu zu gestalten. Wer sagt, dass dies nur Start-ups vorbehalten ist?
Also, fangen Sie bei den Themen an, von denen wir wissen, dass dies die unabdingbaren Zukunftsfaktoren in einem neuen Wirtschaftssystem sein werden – und das sind nur drei von vielen Faktoren:
1. Nachhaltigkeit
Bisher noch sehr schön frei und situationsbedingt definierbar, aber es wird konkreter. Die EU-Taxonomie zu nachhaltigen Investments wird seine Wirkung entfalten und Investoren werden immer stärker darauf achten. Es braucht keine Hellsichtigkeit, dass in wenigen Jahren Nachhaltigkeit Banken-, Investoren und Kundenseitig so vorausgesetzt wird wie ein Bilanzprüfungstestat. Unternehmen könnten und sollten beginnen, die eigenen Prozesse, Lieferketten und Aktivitäten auf den Prüfstand zu stellen und am besten zu auditieren. Das mag erst einmal Geld kosten, aber wer sich hier früh auf den Weg macht, ist in Sachen Zukunftsfähigkeit vorne mit dabei.
Gerade in einer intensiven Auseinandersetzung mit Kernfragen der Nachhaltigkeit kommt man zu zielführenden Erkenntnissen.
2. Bewusstsein
Es wandelt sich etwas. Bei Kunden wie bei Mitarbeitern. Wenn sie gute Leute in Zukunft gewinnen und auf dem Markt überzeugen wollen, dann müssen Sie klar haben, welche Rolle sie in diesem Transformationsprozess in Richtung Zukunftsfähigkeit und Verantwortung für die Zukunft aller spielen wollen.
Gerechtigkeit in der Verteilung des Erfolgs auf dem Weg, Teilhabe aller, nicht nur im Ergebnis sondern auch in der Gestaltung, wird ein Kernelement sein. Verantwortung dem gesamten gegenüber heißt, dass es keine Verlierer geben sollte. In dem Sinne, dass Schwächen, Notlagen einzelner Beteiligter oder Gruppen zum eigenen Vorteil gnadenlos ausgenutzt werden, sondern für die Verbesserung des Ganzen alle gemeinsam an einem Strang ziehen müssen.
3. Ganzheitlicher Mehrwert
Unternehmen können keinen Mehrwert erzeugen, wenn sie pleite sind. Gewinne erzielen ist weiterhin eine Bedingung – aber eben nicht mehr zu Lasten der Allgemeinheit und ohne Rücksicht auf die Konsequenzen – sei es in der Natur, in anderen Gesellschaften oder gleich nebenan. Wer Mehrwert stiftet und dadurch gesellschaftliche Relevanz erlangt, wird zwangsläufig ausreichend verdienen. Das dient dem Shareholder Value so wie es der Allgemeinheit dient, aber eben beidem und nicht nur einem auf Kosten des anderen.
Unrealistisch? Sozialromantik? Vielleicht. Ich bin, wie die meisten, auch Fußballfan. Red Bull Leipzig hat für das Erreichen des Halbfinales in der Champions League von der UEFA 12 Mio. Euro erhalten, Beirut von der Bundesregierung für die Chance eines Wiederaufbaus für Tausenden von Menschen nach der Katastrophe 10 Mio. Euro.
Das hat beides natürlich nichts miteinander zu tun. Aber das sollte es, denn es sind die Indikatoren für Fehlentwicklungen, die oben angesprochen wurden und immer irgendwann zu uns zurückkommen. Mit diesen Missverhältnissen müssen wir bereits im Kleinen anfangen, diese zu beseitigen, im eigenen Unternehmen im privaten Konsum, überall finden wir Möglichkeiten, den Hebel umzulegen – stets im Sinne der eigenen Zukunftsfähigkeit.
Herzlichen Gruß
Ihr Roland Schulze